Priorisieren
Worum geht es hier: Probleme mit Priorisierung, an Prioritäten festhalten, Ablenkung erkennen, Typische Fälle der (Selbst - ) Manipulation.
Ca. 80% meiner mittelfristigen Projekte hat Berührungspunkte mit Scrum. Scrum ist bekanntlich das Allheilmittel. Es it durchaus ein “Framework” (wobei ich es immer als Methode sehe, sorry agile Community), das richtig viel kann; vorausgesetzt es wurde richtig angewendet.
Das bedeutet, man verzichtet auf keinem Fall auf 2 Komponenten: Working Product Increment und….Priorisierung.
Und genau um das zweite geht es in der heutigen Geschichte. Über Scrum werden wir noch unzählige Male sprechen, das Thema Priorisierung ist aber mindestens genauso wichtig für die Manager wie für Scrum Teams.
(Warum es generell eine gute Idee ist, als Manager ab und an einen Coach zu haben - könnt ihr hier nachlesen).
Das Problem: Priorisieren. Ich schaffe es nie, an nur einer Sache zu arbeiten, da es so viele andere wichtige Dinge um mich herum gibt.
Das war die Überlegung von S.
Was ist das Problem daran? Es gibt halt andere wichtige Dinge, manchmal muss man sich halt auch um andere Sachen kümmern.
Schauen wir uns den Glaubenssatz von der Provokativen Perspektive aus!
Findet ihr euch hier wieder?
Erkennt ihr Muster? Glaubenssätze?
Die Geschichte von S.
S schaltete wie jeden Tag um 8:30 seinen Rechner. Der Kaffee duftete nebenan, nach dem Bürotag gestern freute er sich unheimlich darauf, endlich mal in Ruhe die Sachen abarbeiten zu können.
Wenn man ehrlich ist - er hat schon um 7 Uhr, vor dem Duschen die E-Mail gesichtet, die “Amis” waren heute Nacht wieder fleißig und es waren einige Inzident-E Mails dabei…
Diese mussten jedoch warten, bis der Sohn zu Schule abgeliefert wurde, da kannte die Partnerin von S keine Gnade.
“Das ist das Wichtigste, der Rest kann warten” - pflegte sie zu sagen.
"Du musst halt die richtigen Prioritäten im Leben setzen”.
Es klang alles so einfach, und doch so theoretisch. Sie selbst war um 7 Uhr bereits im Büro, es war ihr egal, ob die Welt in Amerika untergeht oder das Rechenzentrum brennt. S aber nicht.
Bevor es aber richtig losging, entschied sich S. noch dafür, ein Paar Minütchen über seine Lage zu grübeln. Gestern war es wie immer - er plante den Tag, hatte eine Liste mit TO DOs, eigentlich leicht zu stemmen und am Ende war er völlig platt und hat was völlig anderes gemacht.
Heute aber, heute ist Homeoffice, heute geht es richtig los mit dem Migrationsprojekt, so langsam wird es auch zeitkritisch und dann
müssen endlich mal auch alle anderen verstehen, dass sein Projekt die Prio hat!
JA, dann (und erst dann) bekommt sein Projekt die vollste Aufmerksamkeit.
Motiviert setzte sich S an den Rechner und wollte gerade eine E-Mail an den Fachbereich schicken, mit einer freundlichen Erinnerung an die Anforderungsanalyse, als eine E-Mail ankam.
Betreff: Du musst die Welt retten!
Hi S,
Ohne dich geht doch gar nichts, diene Prios sind egal!
Deine Prio ist es, bereit zu sein. Für die Weltrettung!
Ok, sie war anders formuliert. Irgendjemand hat da was gemeint, von wegen ein User X kann sich im Tool Y nicht anmelden. Das hat er bis jetzt nicht benötigt, aber heute ist ihm in den Sinn gekommen, er könnte sich die Zeit vertreiben und mal in die Datenbank reinschauen. Wer X ist, hat keiner unserem S erklärt. Und da es im Prod ist, ist es doch Prio 1 incident und S soll sich als Chef der Abteilung umgehend und sofort daran machen. Mr. X hegt garde diesen Gedanken, sich die DB anzuschauen.
Also zog S den Superhelden-Anzug an und machte sich an die Arbeit.
Aus seiner Abteilung war noch keiner da…also musste er selbst die Hand anlegen. Es kann aber auch nicht lange dauern.
2h später hat sich herausgestellt, dass es sich um einen HR Praktikanten handelt, der noch nicht im System angelegt ist. Sein Chef meinte eigentlich was anderes als Aufgebe. Hmm… er hätte die Zeit nutzen können, um an der Migration zu arbeiten. Kurz hat sich S geärgert. Aber nur kurz. Er wusste jedoch, dass er das richtige getan hat.
Eigene Projekte durchzuziehen ist egoistisch.
Es ist doch klar, dass es andere Dinge gibt, die mindestens genauso wichtig sind. Oder wichtiger. Schließlich klopfte bei ihm keiner an und fragte nach dem Fortschritt des Migrationsprojektes. Auch wenn die Deadline aufgrund der neuen EU-Richtlinie un-verschiebbar war, und sich unweigerlich näherte. Aber wer bin ich schon, dachte S, um zu entscheiden, was wichtig ist?
Die Stimme im Kopf des S gab ihm Halt und bestätigte ihn sanft:
“Das kannst du ja nie wissen, was wichtiger ist, vielleicht ist die neue E-Mail so wichtig, dass sie dein Leben verändert und die Firma auf ein neues, unbekanntes Level bringt? Stell dir vor - diese eine E-Mail, die genau an dich adressiert wurde, da ging es ums Überleben des Unternehmens, des Planeten, der Menschheit, und du hast die nicht sofort geöffnet? Nur weil du meintest, du möchtest an irgendeiner Sache arbeiten, die so nichtig ist im Vergleich zum Universum?”
Na ja, dachte S, das vielleicht nicht, die Stimme hat mal wieder übertrieben. Aber es warten doch Leute auf mich und ich halte sie von der Arbeit ab…
Und just in dem Moment kam eine 2. E-Mail:
Betreff: Deine Arbeit ist nichts wert, sie dient der Arbeit der anderen
Hallo S,
Du arbeitest den Leuten zu, die an richtig wichtigen Sachen arbeiten. So stiftest du Mehrwert.
Naaaa gut, auch diese E-Mail lautete etwas anders…habt ihr eine Idee wie?
Denk mal drüber nach…hast ihr vielleicht auch ähnliche E-Mails in deiner Mailbox?
Viel Spaß beim Schuchen und bis zum nächsten Beitrag!